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Umgang mit dem Tod
Unsere, das heißt die westliche Kultur, leidet an einem großen Dilemma. Wir
alle, ich nehme mich da nicht aus, leben, als gäbe es uns morgen schon nicht
mehr. Jede Sekunde des Lebens wird als unendlich kostbar betrachtet. Langfristig
verantwortungsvolles Verhalten ist unüblich, gilt im besten Falle als spleenig.
Gleichzeitig ignoriert eine ganze Zivilisation die Tatsache, dass wir Menschen
sterblich sind. Ein Dilemma, das zu den absurdesten Situationen führt.
Eine ganze Unterhaltungsindustrie ist darauf ausgelegt, uns Mord,
Naturkatastrophen, Unfälle, Tod in jeder Form bis ins Wohnzimmer zu liefern.
Wenn aber ein Mensch vor unseren Augen auf tragische Weise ums Leben kommt,
erleiden wir einen schweren Schock. Nichts hat uns auf den echten Tod eines
Menschen vorbereitet. Niemand hat uns gelehrt, mit so etwas fertig zu werden.
Die Rohstoffe, die wir in den letzten 100 Jahren verbraucht haben,
wurden von der Natur in Millionen von Jahren aufgebaut. Trotzdem erwarten wir,
dass das keine nennenswerten Auswirkungen auf die Umwelt hat und dass wir im
Prinzip immer so weiter machen können. Wir verschließen unsere Augen vor dem
absehbaren Ende.
Mediziner erfinden immer neue Methoden um das Leben eines Patienten zu
verlängern. Eine sinnvolle Sache. Gleichzeitig erfinden andere Menschen immer
neue Methoden um andere Menschen umzubringen, in Form von Giftgas, biologischen
Waffen, Raketen, Sprengstoff usw. Manchmal sind es dieselben Menschen, die
beides tun.
Ein Soldat wird ausgebildet um zu kämpfen und zu töten und, in
letzter Konsequenz, getötet zu werden. Wenn aber ein Soldat tatsächlich
stirbt, dann ist das Geschrei groß, die Angehörigen werden bemitleidet, der
halbe Staatsapparat trauert (siehe UN-Einsätze in Libanon, Jugoslavien). Und
wenn er andere tötet, dann muss er sich anschließend rechtfertigen (Siehe
Vietnam, Golfkrieg). Warum legitimieren wir unsere Staaten, Armeen aufzustellen,
wenn alle Konsequenzen von deren Einsatz unerwünscht sind?
Atomkraft galt einmal als die Lösung aller Energieprobleme und gilt
immer noch als relativ wirtschaftlich. Vermutlich hat nur die Tatsache, dass
Kernspaltung zuerst als Massenvernichtungswaffe eingesetzt wurde, dazu geführt,
dass eine breite Front der Ablehnung gegen sie entstand und bis heute besteht.
Logische Argumente dagegen sind seltener zu hören. Dass die Kosten für eine
sachgerechte Lagerung von strahlendem Abfall über Jahrhunderte nicht in die
Kalkulationen einfließen. Dass wir die Verantwortung für die Sicherheit von
extrem gefährlichen Stoffen in die Hände von zukünftigen Generationen legen,
für Zeiträume, die unsere bisherige gesicherte Geschichtsschreibung übertreffen.
Dass der Umstieg von Ölverbrennung auf Atomkraft das Problem der
Rohstoffverknappung nur verschiebt, denn auch Uran ist nur begrenzt vorhanden.
Die Entwicklung und der Bau des Kampfflugzeuges 'Eurofighter 2000' wird
des öfteren mit der Schaffung von Arbeitsplätzen begründet. Dabei ist leicht
auszurechnen dass mit der selben Geldmenge fiel mehr Menschen versorgt werden könnten,
wenn es direkt verteilt würde. Dabei ist die Notwendigkeit der Anschaffung
praktisch nicht begründbar. In Mitteleuropa gibt es keine Feinde, die mit solch
einer Waffe bekämpft werden könnten.
Unsere Wirtschaft ist darauf ausgelegt, immer mehr Gewinn zu
erwirtschaften. Dazu werden immer leistungsfähigere Maschinen entwickelt, die
den Einsatz von Menschen langfristig überflüssig macht. Wir sind heute schon
in der Situation, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung dem Arbeitsmarkt keine
Entlastung mehr bringt. Wer aber soll all die produzierten Güter kaufen, wenn
die Menschen kein Geld mehr verdienen, weil ihre Arbeit von Maschinen erledigt
wird? Dazu erschließt man immer neue Märkte, im ehemaligen Ostblock, in Asien,
in Afrika. Diese Länder bauen aber auch Fabriken und produzieren selbst immer
mehr. Und wenn alle Märkte erschlossen sind, wer soll dann die produzierten Güter
kaufen? Bei genauerer Betrachtung kann man dahinter ein ganz einfaches System
erkennen, das Schneeballprinzip. Von ihm weiß man sehr genau, dass es
langfristig nicht funktionieren kann.
Viele der globalen Probleme der Menschheit sind Überbevölkerungsprobleme.
Andere Kulturen haben darauf reagiert und versuchen mit Familienplanung und
Aufklärung das Bevölkerungswachstum in den Griff zu bekommen (siehe Indien,
China) In Deutschland wird man dagegen unterstützt, wenn man viele Kinder hat.
Etwas weniger ernsthaft ist die Tatsache, dass der Pabst immer noch gegen
Schwangerschaftsverhütung wettert, der Vatikan aber eine Fabrik für Präservative
besitzt.
Durch Fernreisen erreichen die Menschen heute die entlegensten Gegenden
der Welt. Dabei werden sie mit Krankheitserregern konfrontiert, mit denen sie
sonst niemals in Berührung kämen. Umgekehrt gelangen Krankheitserreger auf
dieselbe Weise und durch weltweiten Handel mit einer Geschwindigkeit in Umlauf,
die in der Vergangenheit ohne Beispiel ist. Es grenzt an ein Wunder, dass seit
den großen Grippe Epidemien zu Anfang dieses Jahrhunderts keine große Seuche
mehr die Welt heimgesucht hat. Andererseits haben wir Krankheiten, die uns in
Panik versetzen, wie AIDS und Ebola, über die wir sehr viel oder gar nichts
wissen, die wir jedenfalls nicht erfolgreich an der Ausbreitung hindern können,
außer mit einer Änderung unserer Lebensweise. Dies tun wir jedoch nicht.
Ich könnte endlos so weiter machen, will aber zum Ende kommen.
Eine einfache Lösung für alle Probleme der Menschheit gibt es nicht,
und ich versuche auch nicht, eine anzubieten. Die Menschheit als ganzes
betrachtet erbringt meiner Meinung nach keine Leistung, die andere Lebewesen auf
dieser Erde nicht auch schon erbracht haben. Menschen sind bei der Arterhaltung
und Vermehrung sehr effizient, andere Arten erreichen bei gutem Nahrungsangebot
höhere Leistungen. Menschen verändern ihre Umwelt, als aber die ersten
Einzeller die Photosynthese entdeckten, war die Veränderung der Atmosphäre
viel radikaler. Ackerbau, Viehzucht, Städtebau und Staatenbildung sind schon
den Insekten bekannt gewesen, ebenso wie die Kriegsführung. Die Nutzung von
Werkzeugen ist vielen Säugetieren und einigen Vögeln bekannt. Was bleibt dann
noch? Die Fähigkeit zu denken? Ändert sie irgend etwas am Gesamtergebnis? Wenn
wir wissen, dass wir unsere Umwelt zerstören und uns damit selbst unserer
bekannten Lebensgrundlagen berauben und es trotzdem tun, dann bedeutet die Fähigkeit
zu denken nichts. Wenn wir das Töten von Menschen für grundsätzlich falsch
halten und trotzdem eine Armee rechtfertigen, dann bedeutet die Fähigkeit zu
denken nichts.
Wenn wir es aber endlich schaffen, uns selbst vom Antlitz der Erde zu tilgen,
dann ist dies nicht das Ende. Es ist nur eine Veränderung. Denn die Entwicklung
des Lebens auf dieser Welt wird weitergehen.
created by J. Reuther |
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created 12.02.1998
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